Das
folgende Gespräch mit Herbert Feuerstein führte ich im Februar
2000 in Madgeburg. Ich habe so gut es ging versucht, den Originalton in
Schrift umzusetzen und bewusst nur minimale Kürzungen vorgenommen.
MM: Ihre erste Ausgabe war die
Nummer 33. Wer hat MAD davor gemacht?
Feuerstein: Das deutsche MAD kam 1968 zum ersten Mal 'raus in
Alsdorf in der Nähe von Aachen, ich glaube das war der
Bildschriftenverlag von einem gewissen Verleger namens Heimberger,
zusammen mit einer ganzen anderen Gruppe von Zeitschriften, eher, würde
ich nachgerade sagen, wenn ich mir die alten Nummern so anschaue, ziemlich
lieblos betreut, und mit einer Mini-Auflage, ich glaube so 10 oder 15
Tausend hatten die, zusammen mit den anderen Comics, und wurde auch gar
nicht beachtet. Ich war 10 Jahre in New York, so von '59 bis '69, und ich
hatte das MAD dort sehr geliebt, hätte nie gedacht, dass ich damit je
zu tun haben würde, aber es war so, hat so sehr meinen Nerv
getroffen, und ich wusste auch gar nicht, dass es das [in Deutschland]
gibt. Ich hatte dann einen Buchverlag gemacht und [ein lautes Geräusch,
wahrscheinlich von einem Mixer, tönt aus der Küche], äh,
diese Geräusche im Hintergrund kommen direkt aus meiner Bauchhöhle.
Ist eine alte Erbkrankheit. Da gibt's aber keine Heilung dagegen, da muss
man durch. Und ich hatte dann vorübergehend einen Buchverlag als
Verlagsleiter betreut [Anmerk. d. Red.: Verlag Bärmeier & Nikel,
veröffentlichte die Satire-Zeitschrift "Pardon"], der in
relativ kurzer Zeit, aber immerhin erst in 1 1/2 Jahren pleite ging, und
ich erinnere mich noch sehr gut, ich saß in einem leeren Büro
bei der Abwicklung, da kam ein Anruf von diesem Bildschriftenverlag, dem
Hersteller [von MAD] damals, und der sagte, ja wir haben da einen
Redakteur, der liefert aber immer alles um zwei Tage zu spät ab und
ob ich jemanden kenne, weil wir hier ja auch eine satirische Zeitschrift
machen, der MAD machen könnte. Und ich habe nachgedacht, ja ich denke
immer nach, ich wusste sofort: das kann nur ich sein. Das war auch zum
ersten Mal, dass ich gehört habe, dass es MAD in Deutschland gibt.
Und dann habe ich so getan, als blätterte ich 'rum und schau nach und
dann sagte ich: ja, äh, einen gewissen Feuerstein, und dann habe ich
dem meine Nummer gegeben, und dann rief mich der an, und dann hat der auch
nicht gemerkt, dass ich derselbe bin, und dann haben wir uns verabredet,
und dann kam er nach Hause, und das war so ein ganz, so ein kleiner, hässlicher,
dicker Mensch, und ich hatte da einen riesigen Schafskäse, so einen
runden, und der hat den ganzen Schafskäse alleine gefressen, das weiß
ich auch noch. Und bei der Gelegenheit haben wir uns aber geeinigt, dass
ich das MAD machen würde, und lustigerweise habe ich die ersten paar
Nummern zusammen mit einem Typ gemacht, der heute einer der großen
Multimillionäre dieser Zeit ist. Das ist der Lutz Reinecke, der das
Versandhaus "Zweitausendeins" später gegründet hat.
Der war damals der Assistent von dem Hans Nikel, das war der Macher und
der Verleger von dem "Pardon" und diesen ganzen
Buchverlagsgeschichten und so weiter. Und mit dem Lutz Reinecke zusammen
habe ich ja nicht nur MAD gemacht, sondern auch, äh, so eins, zwei, äh,
so, ach, ich nenn's einfach mal: Sexzeitschriften. Eines hieß "Cinema
X", da haben wir also amerikanische Vorlagen gehabt und da haben wir
immer die deutschen Texte reingemacht, genauso wie auch bei MAD. Wir haben
dann später, als er ein bisschen bekannter wurde und ich auch, haben
wir dann alle alten Nummern aufgekauft und vernichtet, die findet man
nicht mehr, auch nicht mehr im Museum, also damit kann man mich auch nicht
erpressen.
Das war so die Nummer 33, und damit fing das alles an. Das lief, glaube
ich, so 4, 5 oder 6 Nummern noch beim Bildschriftenverlag, und dann kam
der Verlager in mein Leben, der dann später bis zuletzt das MAD
gemacht hat, das war der Klaus Recht. Da gab's irgendein Durcheinander mit
Lizenzen oder irgendjemand wurde gefeuert oder ich weiß auch nicht
was, jedenfalls musste ganz dringend ein neuer Verlagsleiter gefunden
werden, und der Recht war gerade irgendwo anders, ich glaube beim "SPIEGEL"
gefeuert worden, wegen Unfähigkeit oder so was, und der war aber der
einzige, der zu haben war, und der stieg dann dort ein und übernahm
diesen Bildschriftenverlag und ich traf den auch, und damals habe ich
eigentlich, und damit bin ich gleich fertig, das war alles ein Satz bis
jetzt, da habe ich den Vertrag meines Lebens geschlossen, und er fragte
mich auf welcher Basis wir das machen, also vorher hat man ganz armselige
Sachen da ausgemacht gehabt, und ich habe gesagt: ja, ich sehe da eine große
Zukunft in dem MAD. Ich will eigentlich gar nicht viel Honorar, aber ich
will eine Beteiligung an der Auflage, für jede 10.000 Mehrauflage
will ich Mhnldang [nuschelt eine unverständliche Zahl] Mark haben.
Und er sagte: ja toll, klar, ist ja auch wunderbar, braucht er jetzt nicht
so viel, und wird eh keine Auflage haben und so weiter. Und ich hatte MAD
mit einer Auflage von etwa 30.000 Stück damals übernommen oder
noch weniger, und wir haben's dann immerhin auf 300.000 gebracht, in, in
einem Tag. Nja, ist übertrieben, es waren ein paar Jahre. Ja. Das
war, das war das.
MM: Der MAD-Verlag, sie deuteten es vorhin schon mal an, wechselte
häufig seinen Standort, also Aachen, Alsdorf, Hamburg, Berlin und
dann wieder Hamburg. Galt dieser häufige Wechsel auch für die
Redaktion oder können Sie vielleicht ein bisschen Ordnung in die
Sache 'reinbringen?
Feuerstein 1978 |
Feuerstein: Nein, überhaupt
nicht, also ich hab' ja nie eine Redaktion in dem Sinne betreut, sondern
ich hab' das immer alleine gemacht. Ich war zu Hause, und das wechselte
immer mit meinem Wohnsitz, das war also zweimal. Wir haben das technisch
dann immer so gemacht, dass ich halt einmal im Monat immer mit drei
Nummern zu tun hatte und im Verlag für zwei Tage. Das heißt
also, wir haben das Konzept für eine Nummer gemacht, wir haben eine
Nummer einigermaßen fertig gehabt, und die dritte Nummer war bereits
im Druck, die wurde also dann korrigiert und für den Druck
freigegeben. Also, es war ja eine ziemlich lange Vorlaufzeit für MAD,
also immer eine Planung, eine Gemachte und eine Fertige. Und diesen
Rhythmus, den haben wir eigentlich 20 Jahre recht erfolgreich so
beibehalten. Für mich war das ideal. Ich hab' mich damals selbstständig
gemacht, wo man immer am Anfang, weiß Gott welche Existenzängste
hat, oder sonst was, und sich auch übernimmt. Ich hätte ja
niemals eine Sexzeitschrift mit dazugenommen, wenn es nicht einfach um das
nackte Überleben gegangen wäre - OK, es war auch interessant.
Aber, äh, jedenfalls war's so, dass ich schon als Prinzip
durchgehalten habe, nie in eine Redaktion zu gehen, also du kannst ja
nicht so 'ne Zeitschrift da von neun bis fünf irgendwie machen. Das
waren alles freie Mitarbeiter, die waren überall verteilt. Die
Hauptarbeit am Anfang, da hatten wir noch gar nicht sehr an deutsche
Seiten gedacht, war ja, das aus dem Amerikanischen 'rüberzubringen,
das macht man sowieso im stillen Kämmerlein, und da brauche ich nicht
irgendwo Sekretärinnen oder sonstwas. Und ich hab' das immer von zu
Hause aus gemacht, hab' auch die meisten Mitarbeiter nie kennengelernt,
was sehr, sehr vernünftig war, weil, entweder wäre ich an denen
oder die an mir gescheitert, weil, wenn man nur mit Leuten telefoniert und
faxt, dann kann man die beste Meinung von denen immer behalten. Wir haben
uns ja auch erst dann nicht mehr verstanden, als wir uns gesehen haben zum
ersten Mal. Ja, und so ging das.
MM: Waren Sie wirklich derjenige, der die Onomatopöien, ich
hab's hoffentlich jetzt richtig ausgesprochen, in MAD eingeführt hat?
Feuerstein: Das ist richtig, die Onomatopöie. Es gibt Leute,
die sagen "Onomatopoesie", das wäre schön wenn es so
hieße, es ist die Onomatopöie, also die Lautmalerei, das Spiel
mit den Geräuschen. Das war sehr bewusst in der Zeit. Das hatte
eigentlich nicht so sehr sprachliche als vielmehr herrscherische Gründe.
Die ganzen Comics waren ja in der Zeit grundsätzlich aus Amerika. Die
kamen dann meistens in Form von Filmen, und da hat man die Sprechblasen
natürlich dann gesäubert und hat da deutsche Texte 'reingemacht.
Das war einfach. Aber in den Zeichnungen verwoben waren ja die ganzen
Laute, wie "Crash!" und "Pow!" und "Wham!",
und so weiter. Die zu verändern, würde bedeuten, dass man ja
wesentliche Teile der Zeichnung hätte verändern müssen, was
sehr, sehr aufwendig ist. Und deswegen hat man das eigentlich gelassen,
und so ist in der deutschen Comic-Sprache eigentlich diese ganze
anglizistische Lautmalerei dringeblieben. "Superman" und alle
die Marvel-Comics: überall "Pow!", "Crash!", "Wham!".
Und ich hatte mir bei MAD gedacht, dass das eigentlich nicht legitim ist,
denn da geht's ja nicht um Laute einer Comic-Sprache, sondern da geht's
auch um gedankliche Sachen, da wurden auch bestimmte Inhalte vermittelt,
dann hat mich immer sehr gestört, bei Don Martin, wo die Lautsprache
sehr wichtig ist, dass ja im Deutschen Sachen ganz anders geschrieben
werden, und dass jemand, der jetzt nicht das Englische beherrscht, wenn er
Don Martin liest, ja gar nicht diesen Rhythmus mitkriegen kann von diesen
vielen Worten, ob das jetzt "katchunka", "katchunka", "katchunka"
ist, ne, wenn man das im Englischen schreibt, ist das phonetisch anders,
als wenn da steht "katchunka", "katchunka", "katchunka".
Damit hab' ich angefangen. Und dann kam eben dazu, dass man eben auch
Bedeutungen und Stimmungen in die Lautsprache übersetzt hat, eben wie
dieses "Lechz!", "Hechel!", "Würg!" und
"Stöhn!", weil das einfach Zusammenfassungen waren, die
dann eigentlich sehr schnell in der Teenagersprache und später auch
noch in der Werbesprache übernommen wurden. Für uns war das dann
auch ein relativ aufwendiger Produktionsweg, also wir hatten eine oder
zwei Grafiker oder Grafikerinnen, die natürlich dann an den Filmen
immer diese Teile austauschen mussten. Die mussten also sehr perfekt
nachzeichnen, also Deckblätter machen, und dann Folien drüberlegen,
wo dann das englische Lautwort durch ein deutsches ersetzt wurde, ohne,
dass es die Zeichnung gestört hat. Das war also ein Aufwand, den sich
andere Comics nicht geleistet haben.
MM: Sie haben ja eigentlich keine eigenen Beträge verfasst,
jedenfalls behaupten Sie das öfters mal. Ganz kann ich Ihnen das aber
nicht glauben. Ich vermute mal, dass hinter zahlreichen Textbeträgen,
bei denen kein Texter genannt ist, dass Sie da eigentlich dahinterstecken,
oder zumindest manchmal, zum Beispiel bei "MAD-Wortbaukästen".
Stimmt das?
Feuerstein: Jein. Also, es ist so: Das ist eine sehr
MAD-spezifische Methode, die hatte ich von Al Feldstein, der
Chefredakteur, der eigentlich MAD erfunden hat, die MAD-Sprache, und der
das auch gemacht hat, so bis in die 80er Jahre hinein. Das Prinzip war
das: man nimmt viele Autoren, aber letztenendes schreibt der Chefautor die
Sache dann noch mal um, in einem ganz einheitlichen Stil. Normale
Zeitschriften sind Autorenzeitschriften, da schreibt jeder seine Sache,
schreibt seinen Text runter, da kriegst du die verschiedensten Stile und
so. Bei einer Comic-Zeitschrift, die doch sehr auf dem Gezeichneten
beruht, geht das nicht. Wenn du da sehr verschiedene Stilrichtungen hast,
siehst du heute zum Beispiel, wo's relativ schlecht gemacht ist, zerfällt
die Zeitschrift. Du hast also nicht das Gefühl, dass sie aus einem
Guss ist. Um sie wirklich aus einem Guss zu machen, muss sie auch eine
Handschrift haben, und deswegen war es wichtig, dass man die Beiträge
der verschiedenen Autoren dann nochmal überarbeitet hat, in seinen
eigenen Stil gebracht hat. Ich habe mir immer Anregungen von anderen
geholt, das ist auch wichtig. Wenn man alles selber macht, kommt man sehr
schnell in eine unkontrollierte Situation. Man soll eigentlich immer alles
filtern. Weißt du, wenn du selber Autor und Redakteur bist, dann
hast du manchmal keine Lust, dann kommt irgendwie Dünnkram 'rein. Es
muss immer einer da sein, der das entweder gegencheckt, oder nochmal sein
Zeugs dazumacht. Sonst wird das einfach handwerklich nichts. Ich bin davon
ausgegangen, dass halt grundsätzlich das Material von Autoren von mir
nochmal überarbeitet wird. Das kann mal sein, dass man bei den Wortkästen
schon da eigene Sachen 'reingebracht hat, aber im Prinzip waren das schon
Anregungen von anderen oder von den Amerikanern.
Feuerstein und der Alfred des Monats |
MM: Die "Alfreds des Monats",
wieviele wurden da persönlich überreicht beziehungsweise
entgegengenommen?
Feuerstein: Ach, so gut wie gar keine, da haben wir sehr schnell
erkannt, MAD hatte die eine Stärke, die auch zugleich eine Schwäche
war. Wir haben keine Werbung, laut Vertrag, aufnehmen dürfen, das ist
sehr angenehm, weil, auf die Weise kommt man auch gar nicht in Gefahr, das
zu versuchen. Das bedeutet aber, dass man die übliche PR und das
Marketing und alles das nicht machen muss, weil, man braucht ja nur ans
Publikum zu gehen und versuchen, dass genug Leute die Zeitschrift kaufen,
du brauchst aber nicht in der Öffentlichkeit immer versuchen,
Werbekunden zu finden und so etwas. Also war es nie nötig, Aktionen
zu machen. Es ging nur um den Inhalt und die Qualität der
Zeitschrift. Wir haben sehr schnell eingesehen, wir haben am Anfang zwei-,
dreimal das gemacht, den allerersten "Alfred des Monats", das
war der Dieter Thomas Heck, den haben wir richtig verliehen, da haben wir
ihn auch 'reingelegt, da ist er heute noch immer böse, wenn er mich
sieht, aber, es ist irgendwo vergessen. Dann haben wir es vielleicht
zwei-, dreimal, wenn's viel ist, haben wir den noch viermal oder fünfmal
persönlich verliehen und wahrschienlich hundertmal vergeben. Es ist
eine Sache, die für die Leser lustig ist und nachvollziehbar ist, außerdem
hatten wir da mal diese Alfred-Köpfe im Tiefziehverfahren herstellen
lassen und festgestellt, dass das wahnsinnig teuer ist, und da hat der
Verleger aus lauter Geiz auch beschlossen, das kriegt gar niemand, die
behalten wir uns alle, und wir haben damals 20 Köpfe machen lassen
und davon fünf vergeben. Auch wenn jemand den "Alfred des Monats"
haben wollte, hätte er ihn gar nicht gekriegt, wir haben ihn einfach
nicht hergegeben. Das stand in der Zeitung und Schluss.
MM: Was waren denn die ausgefallensten Leserbriefe und
-reaktionen, an die Sie sich noch erinnern können?
Feuerstein: Das wüsste ich jetzt nicht, da müsste ich
'drübergehen. Die Leserbriefkultur hat sich aber sehr, sehr schnell
verselbstständigt, es gibt viele Leute, die denken, wir hätten
die getürkt. Das war eigentlich zu keinem Zeitpunkt. Ich hab' schon
an den Leserbriefen ein bisschen 'rumgefummelt, man muss sie einkürzen,
man muss sie auch in den Stil hineinbringen. Die müssen auch diesen
bestimmten Duktus haben, bestimmten Rhythmus haben, dass man gut antworten
kann, und ich hab' natürlich nicht intelligente Leserbriefe
ausgesucht, sondern solche vor allem, auf die sich gut antworten lässt.
Wenn jemand da jetzt große akademische Ergüsse hatte über
die Qualität von MAD war das langweilig, das war uninteressant. Es
ging um einen Dialog, und es ging um diese Art, äh, das machen die
heute eigentlich auch so ein bisschen nach, habe ich das Gefühl, die
alten Themen. Aber das ist halt ein Stil, der sich so entwickelt hat. Es
war sehr, sehr schnell ein riesiges Angebot da, also mir hat's dann immer
sehr, sehr oft leid getan, wir hatten nie zu wenig, wir hatten immer zu
viel. Es wird wahnsinnig geschummelt, wenn's um Leserbriefe geht, wenn die
Zeitschriften sagen: wir haben tausende und tausende Briefe bekommen - das
stimmt nie. Man kriegt vielleicht auf eine interessante Sache 10 Briefe
maximal, auch wenn man der "STERN" oder der "SPIEGEL"
ist, außer man bietet Geld an und sagt, ihr könnt was gewinnen,
wenn ihr wisst, wie die Haupstadt von Bonn heißt. Bei uns war es
aber doch so eine Art Wettbewerb unter den meistens Schülern, dass
man da auch mal abgedruckt wird. Es gab also da einige Kunden, die haben
wirklich jeden Monat 10 Briefe geschrieben und waren dann wahnsinnig stolz
und haben dann nachher, wenn sie mal abgedruckt wurden, dann 30 im Monat
geschrieben. Aber es war immer ein sehr großes Feld da, und es waren
immer tolle Anregungen und ich hab' da eigentlich erkannt, was mir dann
bei "Schmidteinander" sehr geholfen hat, wie viel Kreativität
in den Leuten steckt, wenn man sie nur fordert. Man kann ja viel mehr
machen, die Leute sind nicht eine brodelnde, dumpfe Masse, außer man
erzieht sie so, mit brodelnden, dumpfen Sendungen. Aber es ist wahnsinnig
viel Kreativität vorhanden. Ich habe heute noch irgendwo eine Kiste
'rumstehen mit Leserbriefen, ich hab leider sehr, sehr viel
weggeschmissen, weil da einfach zu viel waren, aber es kamen also
unglaublich rührende Sachen, Beiträge und Zeichnungen und so
was. Und aus den Leserbriefen - es waren etliche Leute dabei, die heute,
weiß Gott was, Journalisten, Producer, Werbeleute sind und so, die
mit relativ frühen Jahren angefangen haben, MAD zu schreiben.
Die Geräusche, die wir jetzt im Hintergrund hören, die sind
jetzt nicht von mir, da stirbt jemand gerade. Aber da kuck ich gar nicht
hin.
MM: Das ist ein unterdrückendes Sterben.
Feuerstein: Jaja, ja. Das interessiert uns aber nicht weiter.
MM: Das ist nicht so schlimm.
Feuerstein: Nee, ne.
MM: Nee. Ähm, erzählen Sie ein bisschen über die
deutschen MAD-Autoren,..
Feuerstein: Nein.
MM: Nein, dann eben nicht.
Feuerstein: Was denn, nein, wenn jemand sagt: "erzählen
Sie bitte", dann sage ich immer gleich nein, aber sag' nur den ganzen
Satz. Neenee, ist schon OK.
MM: Ich wollte nur den Satz mal ein bisschen anders einleiten.
Feuerstein: Nee, jaja, klar, aber nicht so, das muss man schon
nett sagen.
MM: Jetzt fange ich mitten im Satz an, Achtung: ...deren Beiträge
den Stil des deutschen MAD entscheidend geprägt haben.
Feuerstein: Von den Zeichnern, oder was?
MM: Nee, Autoren. Also, natürlich auch die Zeichner, es gibt
auch viele Zeichner, die gleichzeitig mit getextet haben.
Feuerstein: Das ist immer sehr schwer, weil ich immer so diese fürchterliche
Arroganz des Chefautors gegenüber allen anderen Autoren habe, dass
ich mich da überhaupt nicht erinnern kann, dass wir Autoren hatten.
Aber wir hatten welche, ne? Ich glaube, wir hatten welche. Nein, wir
hatten ein paar recht Gescheite, also zum Beispiel einer, der dann auch
wirklich so mein Assistent wurde und viele Sachen auch sehr selbstständig
dann schon gemacht hat, war der Gunter Baars. Der war weithin der beste,
und der ist ja heute ein sehr, sehr begabter und sehr erfolgreicher
Spieleerfinder, wusstet ihr das? Der hat vor zwei Jahren, oder letztes
Jahr hat er sogar einen Preis "Spiel des Jahres", bekommen, oder
fast oder irgendwelche Auszeichungen bekommen. Der ist übrigens der
Texter von den "Ottifanten". Der ist mir dann damals
davongelaufen, weil er natürlich beim Otto wesentlich mehr Geld
bekommen hat und hat die ganzen Ottifanten gemacht - Otto hat ja da keine
Zeile geschrieben, das ist ja so ein Mythos. Das hat alles der Gunter
Baars gemacht, und macht's wahrscheinlich heute noch. Und wie gesagt, er
ist auch Spieleerfinder. Also, das war der Begabteste, den sehe ich auch
hin und wieder und freue mich immer wieder, dass es da so gute Leute gab.
Wenn ich jetzt an andere, müsste ich, es ist, es liegt sehr weit zurück
alles, es ist jetzt doch fast 9 Jahre her, dass ich aufgehört habe.
MM: Von Frank Vielmeister waren ja auch viele Sachen.
Feuerstein: Ja, den Frank Vielmeister, den gibt's nicht.
MM: Den gibt's nicht?
Feuerstein: Frank Vielmeister war, wie der Name "Vielmeister"
sagt, war ein Pseudonym. Wenn mehrere Leute zusammen beteiligt waren.
MM: Du großer Gott.
Feuerstein: Das war für mich wichtig immer für die
Honorarabrechnung, dass da verschiedene Leute - also Frank Vielmeister, da
ist die Chance, dass ich mit 50 Prozent beteiligt war, auch schon relativ
groß. Also, nicht honorarmäßig, ich würd' mir nicht
selber Honorare geben, ich hab' so viel Kohle da verdient...
MM: Wissen Sie, was das für mich bedeutet?
Feuerstein: Ja?
MM: Ich muss mein ganzes Archiv jetzt umändern.
Feuerstein: Ach du Scheiße! OK, also eigentlich, also Frank
Vielmeister, jetzt erinnere ich mich, der kam eines Tages in die
Redaktion, der war gerade geflüchtet aus der Schweiz...
MM: Das waren also mehrere...
Feuerstein: ...und wurde dort verfolgt von bösen
Satirik-Feinden. Er wurde von mir aufgenommen, und äh, hat toll
geschrieben und ist heute Anwärter auf den Friedensnobelpreis. Ja,
das tut mir Leid, ne.
MM: Das waren mehrere Leute, die also zusammen sich gesetzt haben
und...
Feuerstein: Neinneinnein, die haben sich nicht zusammengesetzt,
neinnein...
MM: Aber es ist ja ein Beitrag entstanden...
Feuerstein: Nein, wenn einer eine Idee geliefert hat, und es hat
mir nicht so gefallen, hab' ich gesagt: mach da was draus. Oder es kamen
von zwei Quellen die selben Sachen. Oder es war so, dass sich zwei Sachen
überschnitten haben und man hat aus zwei verschiedenen Ideen eine
Geschichte gemacht. Dann fand ich's doof damals zu sagen: "Text von",
und dann vier Leute, und das sind immer nur wenige Zeilen. Nur du musst ja
auch eine Idee honorieren. Also, eine Don Martin-Seite zum Beispiel ist ja
auch eine Textgeschichte, auch wenn keine einzige Textzeile drin vorkommt,
weil, das wird dem ja auch, also nicht als Zeichnung, sondern als
Textvorlage geliefert, da hast du ja auch einen Autor. Und manchmal
kommt's eben vor, oder relativ oft, dass vom selben Thema mehrere Beiträge
kommen, und nichts ist gut genug für einen ganzen Beitrag, oder für
eine Doppelseite oder für drei Seiten. Also nehme ich von
verschiedenen Leuten einen Beitrag und dann haben wir, wenn mehr als zwei
Autoren dabei waren, haben wir immer gesagt, das ist der "Frank
Vielmeister".
MM: Einmal ist es mir das aufgefallen, also, ist ja nicht weiter
schwer, bei "Guntram Barlotz" ist es mir aufgefallen. Da habe
ich irgendwie 'rausgefunden: Gunter Baars und Wolfram Lotze.
Feuerstein: Ja, richtig, das war sehr gut, sehr gut...
MM: Aber bei "Frank Vielmeister" bin ich nicht drauf
gekommen.
Feuerstein: Wolfram Lotze ist ja heute der Pressesprecher von der "Lindenstraße",
seit mehreren Jahren. Der hat da auch angefangen. Etliche Leute, zum
Beispiel der Jan Kromschröder, der hat nur ein, zwei Beiträge da
drin gehabt, der ist heute Producer bei einer großen
Filmgesellschaft, das ist der Sohn von einem "STERN"-Redakteur,
der hat seinen ersten Beitrag mit 14 abgeliefert. Einige von damals sehe
ich auch heute im neuen MAD wieder vorkommen, ich habe da so ein, zwei
Namen gesehen, weiß aber jetzt nicht mehr genau. Wenn du die Namen
parat hast, kann ich dir Geschichten dazu erzählen, aber es sind
nicht so viele.
MM: Der Nils Fliegner fällt mir als Zeichner noch ein.
Feuerstein: Nils Fliegner, ja, der hat ja auch schon "SPIEGEL"-Titel
gemacht und alles inzwischen und ist in der Werbung, glaube ich,
inzwischen sehr arriviert. Eine Sache habe ich mit Freuden festgestellt.
Die Leute, die dann letzten Endes für mich gearbeitet haben, die
haben alle schon ihre ganz bestimmte Karriere gemacht, mit ganz wenigen
Ausnahmen. Was ich auch für mich gelernt hab', ist, dass sich Talente
sehr früh die Bahn brechen, also vor allem bei Textern. Wer mit 18
nicht seine paar Schülerzeitungen gemacht hat und mit 20 nicht
irgendwo in Zeitungen schon 'rumgejobbt hat, mit 14 nicht die ersten Ideen
angeboten hat, der wird's sein ganzes Leben nicht werden. Aber die Leute,
die wirklich gut sind, da ist ein Bedürfnis drin, die machen das sehr
früh. Das war oft sehr schwierig, denn ich hab wirklich von 14, 15,
16-Jährigen Sachen angeboten bekommen, die wirklich brauchbar waren,
aber nicht in der Form. Ich hab' meine Aufgabe gesehen, einfach aus Ideen
Handwerk zu machen, und da musst du halt ein bisschen Erfahrung haben und
auch ein bisschen älter sein. Du kannst ja nicht Leute von Haus aus
in so eine Zeitschrift 'reinnehmen, dann wird's notgedrungen ein bisschen
krampfig oder schülerzeitungsmäßig oder sonst was. Aber du
kannst und sollst die Ideen aufnehmen und mit denen dann versuchen zu
arbeiten und die irgendwo hinzubringen. Das hat mir sehr viel Freude
eigentlich gemacht.
MM: Ich hab' mal von so 'nem Zeichner gelesen, der heißt
Amro.
Feuerstein: Amro, richtig. Das war ein sehr, sehr genialer, verrückter
Mensch. Den wollte ich mal aufbauen als deutschen Contrapart zu Don
Martin, weil er auch ein bisschen in diesem Stil gezeichnet hat und auch
so verrückt war. Aber das war so einer von der Spät-68er-Kiffgeneration,
der war unberechenbar.
MM: Also, das war ein Deutscher? Ich wusste gar nicht,...
Feuerstein: Nee, das war ein, ein, ich glaube Iraner, ich bin mir
aber nicht ganz sicher, oder ein Ägypter, oder irgendwas, also ein
Exote. Und der lebte in Hamburg, und der sah auch so aus wie dieser Typ,
den er gezeichnet hat, mit diesem Bärtchen und so was. Ich glaube, er
war ein Ägypter. Und er hatte sehr geniale Ideen, aber er war nicht,
ich meine, einen zweiten Trautmann hätte ich nicht gebraucht, mir
reichte ein Trautmann. Das wär dann auch so'n Fall gewesen, wo du
dann immer halt die Kotze vom Tisch abräumen musst.
MM: Ich hab' nämlich jetzt neulich mal durch Zufall eine
Ausgabe von "Panic!" in die Hand gekriegt, und da stand auch
Amro mit drin...
Feuerstein: Ja, da gab's ja ein paar Konkurrenzzeitungen, "Kaputt"
und wie die alle hießen. Die waren aber nicht sehr langlebig. Der
[Max] Berthold ... war ja auch mal, glaube ich, Redakteur von einer von
diesen Konkurrenzzeitungen.
MM: Die haben ja wirklich alles kopiert, also die Überschriften...
Feuerstein: Ja, aber das kam von Amerika, das waren ja auch dann
Lizenzausgaben von... In Amerika gab's ja auch Riesenkräche. Der Don
Martin hat sich mit dem Bill Gaines verworfen, da gab's Lizenzsachen, da
gab's immer wieder welche, die dann absprangen und dann
Konkurrenzzeitschriften gegründet haben. Dann gab's Leute, die dann
hier 'ne Lizenz davon 'rausgebracht haben. Aber die waren alle sehr, sehr
kurzlebig.
MM: Weil das ja auch alles in dem Stil von MAD war...
Feuerstein: Jaja sicher, waren ja auch alles Ableger von MAD.
MM: Was gibt es über Rolf Trautmann zu berichten? Wie kam er
zu MAD und was hat er neben MAD noch gemacht? Sie bezeichneten ihn mal als
"wahnsinnig", was ja eigentlich nicht unüblich ist für
MAD. Was meinen Sie damit?
Feuerstein: Naja, bei ihm war's schon, er ist ein, ein ganz toller
Mensch, ein sehr schwieriger Mensch, und ich weiß gar nicht, was aus
ihm geworden ist. Er war der allerschwierigste Mitarbeiter. Niemanden
musste ich so oft feuern, niemand ist so oft selber davongelaufen, niemand
hat mich so gehasst und niemanden habe ich aber so gemocht wie den
Trautmann. Nie hat jemand die Termine so oft überschritten, und nie
hat mich bei irgendjemand der Verleger so sehr gequält: "Werdet
den Trautmann los!", und ich würde ihn heute auch wieder als
Titelzeichner jederzeit nehmen, weil er sehr, sehr begabt ist, er war der
absolut ideale Titelblattzeichner, aber man musste ihm das Abringen. Er saß
wirklich unter Umständen einen Monat an so einem Bild. Wenn es
absolut fertig war und schon lange fertig war, fing seine Arbeit erst an.
Da sagte er: "Ich muss noch daran 'rumfeilen." Und dann saß
er vor dem Bild und machte irgendwelche Sachen, die nicht nachvollziehbar
waren und gab's aber einfach nicht her. Und ich weiß, nach mir hat
der Verleger es gerade einen Monat mit ihm ausgehalten, und dann war der
endgültige Bruch da. Später hat er es dann nochmal versucht,
aber das ging halt nicht. Trautmann hat auch aus dem Grund nie den
Anschluss gefunden, obwohl er so begabt war, oder ist, in die Werbung überzugehen,
er könnte so tolle Sachen machen. Die wenigen Titelblätter, die
nicht von ihm sind, die waren eigentlich immer nur in einer Phase, wo er
dann nicht entweder gefeuert war oder selber gerade wegging und wo dann
wirklich nichts zu machen war. Er hat einmal aus Wut ein Bild, an dem er
wirklich sehr lange gearbeitet hatte, in der Mitte durchgebrochen und
zugeschickt, wo man's dann wirklich nicht mehr verwenden konnte und sagte
dann nett am Telefon, es hätte nicht in den Umschlag gepasst. Und er
hat, die Geschichte ist eigentlich so komisch, dass man sie doch, glaube
ich, für alle Zeiten in das ewige Leben des Internets abgeben muss,
er war der einzige Mensch, den ich kenne, der mal, als ich mit ihm essen
war, im Restaurant über den Tisch gekotzt hat und ich dann
aufgewischt habe, weil ich so hilflos war, und die Leute alle da saßen,
und alle waren entsetzt, alles war gelähmt, und er hatte da fürchterlich
getrunken gehabt, da war da gerade, da hatten wir gerade fürchterlichen
Krach, und das war in Erlangen in dem Comic-Salon, und ich hatte da einen
Vortrag, und er war auch dort, und er dachte, ich würde in dem
Vortrag ihn beschimpfen, und ich hab' so liebevolle Worte über ihn
gesagt, dass er sich dann vor lauter Begeisterung fürchterlich
angesoffen hat. Dann bin ich mit ihm essen gegangen, und dann saß er
da, und ich hab' das gar nicht gemerkt in welchem Zustand er war. Und auf
einmal sagt er [hinter vorgehaltener Hand]: "Moment mal,..." und
kotzte da wirklich voll auf den Tisch. Und ich war so gut, wie ich noch
nie war in meinem Leben. Ich bin 'raus in die Küche und hab' gesagt: "Mein
Freund da hat auf den Tisch gekotzt. Gebt mir einen Eimer." Und ich
hab' das weggemacht. Das mache ich auch nur für ihn. Ich würde
das für euch nie machen.
MM: Also, wir müssen uns heute zusammenreißen.
Feuerstein: Nee, nie. Ich würde hier 'rausgehen und euch
einsperren lassen oder so was. Aber für Trautmann, der war so
wunderbar, in seinem Wahnsinn, den habe ich wirklich sehr verehrt. Ich
habe auch sehr viele Originale von ihm. Ich hab' die ihm alle abgekauft,
also es ist nicht so, dass ich mir die unter den Nagel gerissen habe. Ich
hab' die meisten seiner Alfred-Galerien als Original, die hängen bei
mir, beziehungsweise ich hab' sie noch in Verwahrung, und die sind mir
auch mein Heiligtum.
MM: Betrachten wir mal die anderen Auslands-MADs...
Feuerstein: Ja, betrachten wir die.
MM: Verfolgten Sie deren Entwicklungen und gab es so etwas wie
einen Ideenaustausch zwischen den einzelnen Redaktionen?
Feuerstein: Es gab so Versuche, manchmal so MAD-Kongresse zu
machen, aber das war eigentlich nicht so sinnvoll. MAD war in der Blütezeit,
es waren also immer so'n bisschen leichte mafiöse Strukturen. Die
haben sehr, sehr hohe Lizenzen verlangt.
[...]
MM:
Wie war Ihr Kontakt zur amerikanischen MAD-Brigade? Haben Sie Bill
Gaines gekannt und wie ist Ihr heutiger Kontakt zu den Amis?
Feuerstein: Also mein Verleger, der Klaus Recht, hat das immer ein
bisschen so abgeblockt, weil er immer sehr eifersüchtig war, der
musste immer dem Bill Gaines in den Arsch kriechen. Bill Gaines hatte so
gewisse Vorlieben, wie zum Beispiel Zeppeline. Und unser Verleger war kurz
davor, einen Zeppelin nachzubauen, nur, um den Bill Gaines zu belustigen.
Ich war ein paar mal in New York und hab' die Leute auch besucht. Bill
Gaines war ja so'n unglaublicher Fresssack. Also Fressen war eigentlich
sein Leben. Der hatte eine Hose, um die er ein Bergsteigerseil gebunden
hat, weil sich die innerhalb eines Mahls um einen halben Meter ausdehnen
musste. Und da hat er immer so zwischen den Gängen halt das Seil geöffnet
und dann die Hose neu verknotet.
Bill Gaines war auch nicht nur verfressen, sondern auch wahnsinnig faul
und hat alles abgelehnt, was eine Steigungsrate von einem Millimeter pro
Kilometer hatte. Also der ging nur in Häuser mit Aufzügen, ging
grundsätzlich keine Treppe, und wenn man ihn abholte vom Flughafen
und so, dann musste man so Speziallimousinen nehmen, die so einen Hebelift
hinten hatten, womit man Behinderte 'reinhebt, weil er keine Lust hatte,
da 'raufzusteigen, weil er so fett war. Bill Gaines war Mitglied von allen
möglichen Fress- und Gourmetvereinigungen, und Klaus Recht, ich hab'
das nie erlebt, ich war da nie eingeladen, aber Klaus Recht hat mir immer
wieder erzählt, dass, wenn da so Dinners waren, da wurden erst mal
die Sachen alle aufgetragen, und dann durfte man da nichts anfassen,
sondern da kam erst mal ein Fotograf und hat jedes Gericht und jeden
Teller abfotografiert, und er [Bill Gaines] hatte da so mehrere tausend
Fotoalben, wo kein Mensch drin war, sondern nur Sachen, die die alle dann
bei solchen Orgien dann gefuttert hatten. Und Weinkenner, und so. Also der
flog in aller Welt 'rum, ließ sich wahrscheinlich durch so einen
Hebelift ins Flugzeug hieven und ging dann zur Weinprobe oder sonst was.
Ich habe ihn mal kennengelernt bei einer New York-Reise, und ich habe mit
ihm geplaudert, hab' mich gut vorbereitet, hab' Witze erzählt, um ihn
zu amüsieren. Er hatte, woran ich mich sehr gut erinnere, die waren
ja in der Madison Avenue, da waren die sehr stolz drauf, dass die Madison
Avenue auch mit M A D anfängt, wie die Zeitschrift MAD, und da waren
die in so einem Wolkenkratzer oben, und der Bill Gaines hatte ein Büro,
dessen Fenster war so präpariert, dass es dunkel war, als ob King
Kong gerade von außen aufgeklettert wäre und 'reinklettern würde.
Er hatte nur künstliches Licht, weil er sowieso alles, was auch nur
mit Natur sich ähnelte, abgelehnt hat. Und da saß er also in
diesem dunklen Kabuff, am Fenster war gerade der King Kong dabei, da sah
man also so einen Kopf und so einen Arm, der reinlangte, sah sehr gut aus.
Und wir redeten ein bisschen, und dann fragte ich ihn, ob ich das neueste
Heft haben könnte. Da ging er zu seinem Safe, da waren 20
Freiexemplare drin, und gab mir dann eines davon, kostenlos, und am Ende
fragte er mich, ob er mich zum Essen einladen könnte, und ich dachte,
wir gehen jetzt da irgendwie toll aus. Und da ging er wieder zu seinem
Safe und nahm eine Eintrittskarte, eine Gratis-Eintrittskarte für das
Museum of Modern Arts 'raus, mit der man dann verbilligt dort selber essen
kann, und er gab mir die in die Hand und sagte dann "Tschüss!"
Das war also unser großer MAD-Verleger. Ich hab' ihn dann nochmal
ein paar mal in Deutschland gesehen. Mit der MAD-Crew selber eigentlich
nicht, weil die auch wie ich meistens frei gearbeitet haben. Ich hab' mal
den Sergio Aragones in Los Angeles besucht. Ich hab ' ein paar mal den Al
Jaffee gesehen, der ein sehr lustiger Mensch war, und ich hatte mal die
ganze MAD-Crew zu Gast in Deutschland bei der Frankfurter Buchmesse.
"The usual gang of idiots" zu Besuch auf der Frankfurter Buchmesse 1980 |
MAD hatte so eine Tradition, dass die jedes Jahr in ein anderes Land gefahren sind. Das hat der Bill Gaines immer ausgegeben, das war so eine Art Betriebsausflug. Aber, typisch Bill Gaines: nur Doppelzimmer. Also, da mussten immer zwei Leute miteinander ein Zimmer teilen, was für erwachsene Leute nicht immer so angenehm ist, also ich würde da gar nicht erst mitfahren, ich kann das nicht ertragen. Dort ging es einigermaßen, weil einige kannten sich, und die waren das auch schon gewohnt, das waren auch oft sehr komische Reisen, das Problem war immer nur: niemand wollte ein Zimmer teilen mit Dave Berg, weil das ist so eine Trannudel von ungeheurer Penetranz, und die wollten alle vermeiden, und das war dann immer so ein Los, wer verloren hatte, der musste dann ein Zimmer mit Dave Berg teilen. Der einzige, der ein Recht auf Einzelzimmer hatte, weil er sowieso ein bisschen komisch war, war übrigens Don Martin.
Al Jaffee, Herbert Feuerstein, Don Martin |
Don Martin war einer der stillsten,
bescheidensten Leute, die man überhaupt kennt. Der sagte nie etwas,
der saß immer nur da, lachte einen an und sagte: "Hm." Den
habe ich auch mal in Florida besucht, der hatte ein Haus in der Nähe
von Miami, und wir haben uns da mal getroffen, das war nach der MAD-Reise,
da kannten wir uns schon, und da kam er also wirklich nett zu, umarmte
mich und sagte: "Hallo!" - und dann sagte er nichts mehr. Das
war also alles. Und ich hab' da versucht, ihm Sachen zu erzählen, die
ihn überhaupt nicht interessiert haben, er saß nur da mit
freundlichem, lachenden Gesicht, sah mich an und - sagte nichts. Es war fürchterlich.
Es war eines der schlimmsten Treffen, die ich je hatte.
Die hatten auf diesen MAD-Reisen manchmal sehr komische Dinge gemacht.
Einmal fuhren sie alle nach Haiti und haben festgestellt, dass es da einen
einzigen Abonnenten gibt in Haiti. Und ohne, dass es der wusste, sind die
alle 30 Leute, die da insgesamt waren, da waren ja auch die Grafiker und
die Techniker dabei, sind dann in sein Haus gestürmt, um ihm sein Abo
zu bringen, und haben den da fast wahnsinnig gemacht. Und so gab's halt
immer wieder eine Reise irgendwohin, in irgendein Land, und einmal war
eben auch Deutschland dran, und da kamen die zur Buchmesse, da waren die
auch in München und in Hamburg und in Frankfurt, und ich durfte das
betreuen, da wurde auch ein Fernsehfilm davon gemacht. [...] War auch gar
nicht schlecht gemacht, ein Film über die Reise. Das war's eigentlich
im wesentlichen. Sonst hatte ich einen direkten Arbeitskontakt gar nicht.
Der einzige war ein bisschen mit Al Jaffee, weil der war echt
interessiert, dass seine Taschenbücher auch im Ausland sein sollten.
Dann hattest du noch gefragt nach anderen MAD-Redaktionen im Ausland,
glaube ich, das war vorher noch...
MM: Ja, ob es da einen Ideenaustausch gab...
Feuerstein: Ich hab's nie nachvollzogen. Ich hab' die Leute mal
kennengelernt, aber das waren meistens Verleger, das waren nie die
Redakteure, weil: Deutschland war eine Ausnahme, wir haben eine eigene
Zeitschrift draus gemacht, und es hat sich auch gelohnt. Sehr viele von
den Käufern von MAD wussten nicht, dass das der Ableger einer
amerikanischen [Zeitschrift ist], dass es eine Lizenzausgabe ist und haben
das als deutsche Zeitschrift empfunden. Da haben wir auch hart dran
gearbeitet. Die meisten anderen Länder haben das nicht gemacht, die
haben es einfach wirklich als MAD übersetzt und nie eigene Beiträge
gemacht, deswegen gab's da auch keine Redaktionspersönlichkeiten. Es
gab ein paar lustige Leute da in Holland und in Amerika und so, ich hab'
die so periphär kennengelernt, hatte aber keinen Kontakt. Der
einzige, mit dem ich mich wirklich mal ausgetauscht habe, war der Otacílio
[Chefredakteur Otacílio Dássuncão Barros], ein
Brasilianer in Rio, ein wahnsinnig verrückter Mensch, und ich war mal
ein paar Tage in Rio, und wir hatten sehr lustige Sachen, die ich hier überhaupt
nicht annähernd auch nur schildern möchte. Es war 'ne tolle
Reise. Und der hatte dort MAD gemacht, der machte aber auch sehr viele
andere Comics, und das war in so einem Massen-Verlag. Brasilien ist ja
unglaublich reich an Comics und auch an originärer eigener
Comicliteratur, von der man hier gar keine Ahnung hat. Die haben auch eine
Fernsehproduktion, die so anders läuft als die unsere, so viel überzogener,
übersteigerter, aber auch komischer und intensiver, auch gewaltsamer,
aber doch wieder erträglich, weil das wirklich bizarr komisch ist,
davon hat man hier gar keine Ahnung, das geht an uns ganz vorbei. Ist
schon ein Weilchen her, ich hab' auch den Kontakt inzwischen mit denen
verloren. Die brasilianischen MAD-Macher waren auch die erfolgreichsten außer
uns, also wir waren immer, lange Zeit die Numer Eins, dann kam Brasilien,
die hatten aber auf Anhieb das sehr gut gemacht, hatten auch eigene Beiträge
gemacht, hatten dann sogar noch eine wesentlich größere Auflage
als wir, haben sich aber nicht sehr lange gehalten, soweit ich weiß.
MM: Da sind wir beim Thema Auflagen. Ich blick' da jetzt nicht
ganz durch. Es gibt 'ne Druckauflage und 'ne Verkaufsauflage?
Feuerstein: Naja, bei MAD war das eigentlich nicht so 'ne
wesentlich Sache. Es gibt immer eine Druckauflage, und davon wird
soundsoviel verkauft, und der Rest wird dann weggeschmissen, eingestampft.
MM: Mich erstaunt, dass das meistens nur die Hälfte ist, die
verkauft wird.
Feuerstein: Naja, das ist eh' viel, also, es gibt Zeitschriften,
wo wesentlich weniger verkauft wird. Nur bei MAD machte das deswegen
nichts, weil wir die ja dann nie wegschmeißen mussten, die waren ja
zeitlos. Ein Teil der MAD-Hefte, von den Inhalten und von den Filmen hat
man ja dann die EXTRAs produziert, dann wurden die SUPER MADs produziert,
und dann wurden ja auch die unverkauften Hefte selber immer in MÜLL-MADs
zusammengebunden und neu verkauft. Also es wurde von MAD eigentlich nie
was weggeschmissen. Normalerweise musst du rechnen, dass bei einer
Zeitschrift die Hälfte wegfliegt. Bei uns war die Verkaufsrate etwa
so bei 60 Prozent, aber dann letztenendes wurden die durch Recycling alle
an den Mann gebracht.
MM: Jetzt werden sogar die SUPER MADs in solche MÜLL-Bände
'reingemacht, habe ich gesehen.
Feuerstein: Alles, klar, alles was liegenblieb wurde dann neu
verarbeitet, und wenn das immer noch liegenblieb, dann wurde es glaube ich
an das Versandhaus "Zweitausendeins" verkauft.
MM: Da gab's mal ein Sammelbuch vor ein paar Jahren, habe ich
gelesen, bei "2001",...
Feuerstein: Richtig, ja.
MM: ...lange vergriffen.
Feuerstein: Das waren sehr, sehr alte Nummern. Das waren Nummern
so um die 20er, 30er 'rum. Also unverkaufte, die damals in so Sonderbänden
von "2001" verkauft wurden.
MM: Das neue MAD des DINO Verlages existiert ja nun schon seit
fast 1 1/2 Jahren und schlägt sich eigentlich recht gut durch den
deutschen Blätterwald. Ich muss Sie noch mal fragen, was Sie davon
halten.
Feuerstein: Ja, ich hab' da natürlich ein gestörtes Verhältnis
dazu, weil das eine andere Welt ist. Aber ich halt's für legitim, ich
freue mich, wenn's funktioniert, ich freue mich, wenn Mitarbeiter von
damals da wieder 'rein finden. Ich kann mich nicht damit identifizieren,
weil ich's einfach grundsätzlich anders gesehen und gemacht habe, und
die Kolorierung, finde ich, machts halt ein bisschen primitiv.
Andererseits wird's wahrscheinlich gar nicht anders gehen. Es ist ja nun für
eine andere Generation gemacht, unter anderen Verhältnissen und ohne
Kontinuität, also wenn das funktioniert, dann ist es ja auch in
Ordnung. Ich glaube, dass man MAD so wie ich's gemacht habe, heute auch
gar nicht mehr machen könnte. Es war ja damals schon ein
Anachronismus, wir haben ja immer so getan, als gäbe es keine
Fotografie und haben einfach bei MAD alles fotografisch nachempfunden
durch Zeichnungen. Das ist stilistisch natürlich immer noch
akzeptabel, aber das wird dann immer kleiner, das kannst du dann nur noch
als Kunstform irgendwo behalten, aber nicht mehr als Massenkommunikation,
und das heutige MAD ist halt doch mehr dem Comic-Stil angenähert, das
war ja das MAD nie. Die Kiosk-Leute hatten immer die Schwierigkeit: wo
lege ich jetzt MAD auf? Gehört's neben die "TITANIC" oder
gehört's neben "PARDON", oder gehört's neben "MICKY
MAUS"? Oder, was eigentlich stimmt, hätte es einen Platz ganz für
sich zu haben.
MM: Sie haben in den 80er Jahren...
Feuerstein: Wenn ich mich so reden höre, ist es fast unerträglich.
Ich ermüde mich derart...
MM: Aber es ist schön, da kommt ein 'n Haufen bei 'raus.
Feuerstein: Es kommt 'n Haufen dabei 'raus. Für die Nachwelt
ist das traumhaft, für mich ist es langweilig.
MM: Sie haben in den 80er Jahren die
TV-Sendung "Wild am Sonntag" gemacht.
Feuerstein: Richtig.
MM: Wie ist dieses Format entstanden, und wie sind Sie überhaupt
zum Fernsehen gekommen?
Feuerstein:
[...] Ich hab' immer schon nebenbei..., ich meine, MAD stillt ja nicht
das Bedürfnis der Eigenkreativität, die man immer hat. Und ich
hab' mir nie erlaubt, bei MAD eben eigenkreativ tätig zu sein. Ich
hab' mich immer als MAD-Macher gesehen, der also die Ideen von anderen
kanalisiert und vielleicht handwerklich kleiden kann oder in eine
bestimmte Form bringt. Aber, ich sagte es schon vorhin mal, ich finde es
nicht richtig, wenn ein Redakteur zugleich auch sein eigener Autor ist.
Das heißt also, ich musste mir immer ein paar andere Sachen suchen,
um mich auch selber ein bisschen auszuleben. Du kannst dich ja nicht als,
naja, jetzt fällt's mir ein, Udo Lindenberg konnte das schon, der
konnte eigentlich immer ein Teenie bleiben, bis eigentlich vor wenigen
Jahren, aber du kannst ja nicht als Comic-Macher mit 50 noch dich damit
identifizieren, das kannst du handwerklich, aber das kannst du nicht
inhaltlich, das war nicht meine Welt und ich hab' deswegen auch lieber
andere Sachen nebenbei gemacht. Und unter anderem bin ich halt da auch als
Autor mit dem Fernsehen in Verbindung gekommen. Ich hab' damals für
eine Sendung, die hieß "Michael Braun Show", die war im
WDR, eine sehr intensive, sehr politische aber sehr satirische, böse
Live-Sendung am Samstag Nachmittag im Jugendprogramm, geschrieben und bin
dann auch immer so'n bisschen mehr ins Spielen 'reingekommen. Und, ich weiß
auch nicht mehr, wie das war, es ist so diese klassische Situation, dass
du irgendwie Sachen anbietest, die extrem sind, wo dann die Leute kommen
und sagen: "Mach doch den Scheiß selber!" Die meisten
Leute machen das nicht, aber ich hab's dann eben gemacht, hab' den Scheiß
selber gemacht, und das hat dann irgendwie auch funktioniert. Irgendjemand
kann eben dann, ich hab' dann, äh,... ich weiß gar nicht mehr,
wie diese Sendung zu Stande kam, das war so'n Konglomerat aus dieser "Michael
Braun Show", die dann aus politischen Gründen eingestellt wurde,
weil der Verleger, äh, der Intendant, das nicht mehr decken mochte,
und da hatte ich ihm angeboten, auch dafür eine Rubrik zu schreiben
und hab' da einen absolut, wirklich knall-wahnsinnigen holländischen
Regisseur kennengelernt, den Bob van Royens, eine Legende, ein gnadenloser
Quäler und Schleifer von Leuten, ein Menschenschinder ohne Gnaden,
der aber große, seltsame holländische Shows gemacht hat. Eine
Zeit lang machte er auch Sachen in Deutschland, aber inzwischen auch nicht
mehr. Was aus ihm geworden ist, weiß ich auch nicht mehr, wir sind
auch ein bisschen so im halben Krach geschieden, weil dann noch so'n
Gangster-Verleger dazwischentrat und sonst was. Jedenfalls, der machte
das. Mit einem riesigen Aufwand. Und das war die Zeit, als es noch keine
Computergrafik gab und wo man bestimmte Animationen noch wirklich mit der
Hand machen musste, beziehungsweise mit der starren Kamera. Da wurde der
Versuch gemacht, mich mit einer zweidimensionalen Welt zu integrieren.
Also, die "Kulissen", nenn ich's mal, waren gezeichnet, das Set
war gezeichnet, ich selbst aber und die Spieler bewegten sich. Heute macht
man das halt mit Projektionen und mit Computerdingen, und da geht das
relativ schnell. Damals war das ein wahnsinniger Aufwand. Und ich kann es
mit Stolz sagen, dass meine Rubrik, diese "Dr. Winter"-Geschichte
in "Wild am Sonntag", glaube ich, die teuerste und sinnloseste
Produktion war, die die ARD je gemacht hat. Aber sehr schön, es hat
nur nicht, es war im Timing nicht richtig. Ich find's immer noch brilliant
geschrieben und eine der wirklich interessantesten Sachen, spielerisch ist
es nicht sehr befriedigend, es gibt immer wieder Momente, wenn ich mir das
so hin und wieder anschaue, kriegt man das zu sehen, das find' ich schon
ganz, ganz toll. Es war so'n bisschen eine Sternstunde zur falschen Zeit
am falschen Platz im falschen Sender mit den falschen Leuten, es war
eigentlich alles falsch dran, aber genial.
MM: Lief die in der ARD, die Sendung?
Feuerstein: Die lief in der ARD, und zwar auch noch zu einer ganz
beschissenen Sendezeit, am Sonntag Vormittag, entweder gegen Kirche oder
sonst was, das war noch vor der "Sendung mit der Maus". Ich weiß
auch nicht was. Es lief jedenfalls zu einer Zeit, wo kein anständiger
Mensch so eine Sendung, die man eigentlich samstags spät nachts
senden müsste, sehen wollte. Aber es lief immerhin, glaube ich, 6
oder 7 mal, oder 8 mal sogar. Und die ersten paar Folgen waren,... es war
eine wahnsinnige Arbeit. Die erste Folge ist nie fertig geworden. Wie
hatten 6 Studiotage. Ich weiß das noch, es war so aufregend, weil,
das war ja meine erste Begegnung in der Richtung, wir hatten 6 Studiotage,
und sollten dafür, glaube ich, 8 Minuten produzieren, haben aber nur
4 Minuten geschafft, und nach all den Überstunden, die dann waren,
kam dann das, was eigentlich sonst immer nur angedroht wird, was aber nie
passiert, nämlich, es kam der Produktionsleiter und drehte den Strom
ab, und das war's dann auch. Und mit dem, was bisher gedreht wurde, hat
dann der Bob Royens versucht, eine Folge zu basteln, was auch ganz gut
gelungen ist. Und später fing er dann an, völlig durchzudrehen
und hat dann neue Computersoftware bestellt, mit der man dann ein bisschen
in der Richtung arbeiten konnte, was aber nie getestet war, aber eben
nicht mit der Digitalisierung, wie das heute geht, sondern mit der ständigen
Überspielung, und du weißt ja, was da für Verluste sind,
und dann hat er manchmal Sachen abgeliefert, wo du nur noch Phantome
erkennen konntest. Wahnsinnig. Und dann musste der Redakteur weiß
Gott welche Umwege gehen, damit ihm das abgenommen wurde, oder dass es der
technische Chef nicht sieht, weil das nicht sendefähig war. Sehr
viele Fernsehbetriebe hatten damals Hochkonjunktur, weil dann Montag die
Geräte alle zur Reparatur gebracht wurden, weil die dachten, die
Farbeinstellung stimmt nicht mehr. Nein, das war eine tolle Zeit. [...]
Wir sind ja jetzt schon durch, praktisch.
MM: Neenee. [An der Stelle drehe ich gerade mein Fragenpapier um.]
Feuerstein: Hör' mal, du bist doch krank im Hirn, wir sind ja
jetzt schon lang nach MAD. Nein, komm, dann kommen jetzt kurze Antworten,
ich dachte es wird nur eine Seite...
MM: Nee, dann machen Sie kürzere Antworten, das ist ja nicht
so schlimm.
Feuerstein: Ja, kürzere Antworten.
[...]
Hör' mal, das ist nur für Internet, nicht dass du da jetzt da
irgendwie eine Serie draus machst.
MM: Nee. Serie? Ist auch 'ne Idee.
Wie kamen Sie denn zu "Pssst...!" ?
Feuerstein: [...] Zu "Pssst...!" kam ich halt, indem...,
ich hab' da sehr viel Hörfunk gemacht um die Zeit und so, und da hat
halt ein Redakteur, mit dem ich die Hörfunksachen gemacht hab', der
hat dann die Verantwortung bekommen für "Pssst...!", und
der hat mich halt da vorgeschlagen, und da hab' ich das gemacht.
[...]
Also bei "Pssst...!" kam also Harald Schmidt und da haben wir
uns kennengelernt.
MM: Gut.
Feuerstein: Da saß so'n hässlicher Riese mit
Mundgeruch, und da dachte ich: mein Gott!
MM: Die Entscheidung, mit "Schmidteinander" aufzuhören
- kam die zuerst von Ihnen oder von Schmidt?
Feuerstein: Nein, die kam von Schmidt.
MM: Hing das mit der "Late Night" zusammen?
Feuerstein: Nein, überhaupt nicht, neinnein. Nee, das hatte
eine ganze Reihe von Gründen, er hatte es einfach satt, das passiert
bei ihm öfter, und das ist halt so. Ich hätt's noch gerne ein
Jahr gemacht, wenn ich ehrlich bin, aber im Nachhinein finde ich die
Entscheidung gut.
MM: Können Sie mir etwas über Harald Schmidts Meinung zu
MAD sagen? Hat er mit Ihnen mal drüber geredet oder hat er das
Magazin früher gelesen?
Feuerstein: Nee, überhaupt nicht, kann ich gar nichts sagen.
Ich glaube nicht, dass er..., er kannte es natürlich und so, aber da
haben wir eigentlich nie drüber gesprochen.
MM: Hm, ja, OK.
Feuerstein: Boah, wie jetzt die Antworten kurz werden. Zack, zack,
zack.
MM: Ich arbeite jetzt auf den Schluss hin und muss dazu noch ein
paar Fragen stellen, die jetzt halt nichts mit MAD zu tun haben,...
Feuerstein: Nein, das verstehe ich völlig.
MM: ...wir müssen noch ein bisschen Aktualität in die
Sache 'rein bringen.
Feuerstein: Jaja, absolut.
MM: Sie haben die Silvesternacht im Büro des vernünftigsten
Medientycoons der Welt verbracht. Wie war's?
Feuerstein: Ich weiß nicht, ich bin mit der Sendung nicht so
zufrieden, weil sie für mich auch so'n Experiment war. Ich hatte zwei
mal eine 12-Stunden-Nachtsendung gemacht, die wir auch sehr gut
vorbereitet hatten und wo wir auch relativ großzügiges Budget
und Material hatten. Bei der 6-Stunden-Sendung hatten wir eigentlich gar
nichts. Und ich war dann auch ein bisschen vielleicht auch vermessen oder
übermütig und habe mir gedacht: wie ist es, wenn man sich überhaupt
nicht vorbereitet? Ich hatte auch eine sehr schwierige Geschichte, weil
ich am Nachmittag eine 3-Stunden-Hörfunkgala mit dem
WDR-Rundfunkorchester zu moderieren hatte, wo ich sehr viel Text mit
Publikum machen musste, wo ich auch singen musste, was also sehr viel
Energie kostet, und dann war nochmal die ZDF-Geschichte, da hatte ich auch
da diese Bill Gates-Nummer gemacht, und dann nochmal diese 6 Stunden
Livesendung in den Morgen zu machen - dachte ich mir, das war ein bisschen
vermessen. Ich bin da mit mir nicht so zufrieden, ich habe auch gar keine
Erinnerung mehr. Ich weiß, dass da 6 Stunden irgendwie gefüllt
waren. Es waren auch ein paar Highlights drin, die sehr komisch waren.
Aber so würde ich's nicht noch mal machen wollen. Das war zu, äh,
ja, ich glaube, die hätte man schon noch ein bisschen anreichern müssen.
Entweder hätte man sie ganz abspecken müssen und nur reduzieren
auf, wie das Domian macht, dass man halt mit Leuten kommuniziert oder so,
aber in dem Augenblick, wo man, wo man die spickt mit guten Sachen, verrät
man den Zuschauer, wenn man nur eine halbe Stunde Leerlauf hat oder nur
Telefonreden oder so etwas, weil der dann eine Erwartungshaltung hat.
Entweder man macht ein Tempo und einen Biss 'rein oder nicht, also da war
ich sehr unzufrieden mit mir.
MM: Was ich sehr schön fand, war dieses "Zappen!"-Schild,
was Sie da so hingestellt hatten. Das ist ja auch so 'ne Sache...
Feuerstein: Ja, das finde ich auch legitim. Ich wundere mich, dass
noch niemand auf die Idee gekommen ist. Was ich da gemacht habe, ist, wenn
ich vorübergehend keine Lust hatte, habe ich auf so'n Pappschild
geschrieben "Bitte jetzt zappen!", hab' das hingestellt und hab'
dann einfach Zeitung gelesen oder einfach mal nichts gemacht eine Weile.
Ja, das ist doch legitim. Ich meine, es gibt doch so viele Sender, warum
sollen die...nur komischerweise zappt dann niemand weg, weil die immer
denken: jetzt kommt irgendwas. Das war wie beim Schlafen auch. Beim
Schlafen, bei der [Feuersteins] Nacht hatten wir also immer eine
ungebrochene Quote.
[...]
Wer will in der Silvesternacht von 0 bis 6 Uhr dienstverpflichtet sein?
Wer will das wirklich? Wir hatten eine sehr gute Kamerafrau. Die brach nur
manchmal unter der Last der Kamera zusammen, und die musste man immer
wieder aufheben. Die hatte die Handkamera zu bedienen. Und dann hatten wir
einen anderen, der war auch sehr gut, der war aber irgendwie ein bisschen
schwerhörig, und der hatte das Problem, dass er völlig vergessen
hatte, dass er in der Sendung war, und wenn er Anweisungen bekam, redete
er völlig laut zurück. [laut:] "Was habt ihr gesagt?",
schrieh er da im Raum, und äh, und das aber vor mir. Dann war die Tür
offen, wir hatten auch keine Aufnahmeleitung, es war auch kein richtiges
Budget da, es war nichts abgesperrt, es gingen Leute rein und raus, ich
hatte da die Sendung gemacht. Dann brach die Kamera 3 zusammen vorübergehend,
dann kamen mehrere Leute rein und reparierten die neben mir. Wir hatten
nur noch die eine Kamera. Hin und wieder ging das Bild weg, weil die
Kamerafrau zusammenbrach, da war nur die Stativkamera übrig, und äh,
ich hab' da einfach weitergemacht, weil das hatte irgendwie so was
Krankes, Privates, wie ich das noch nie in meinem Leben erlebt habe. Dann
kommt ja irgendwann der Zeitpunkt, ich habe ja einen Sender und einen Empfänger
an mir, wo du nach drei Stunden die Batterien austauschen musst.
Normalerweise passiert das entweder, wenn irgendwie eine Sache schnell läuft,
oder eine Einspielung ist, ganz schnell, ne. Diesmal hatten wir aber keine
Einspielung, keine Zuspielungen. Ich hab' dann mit Fuji geredet, und dann
kam der Tonmann, hat mir signalisiert: "Batterie austauschen",
und da sagte ich dem Fuji: "Geh' du mal ans Telefon, sprich mit
Leuten, und ich lass mir die Batterien austauschen." Ich dachte, ich
geh' da hin und zack, zack, zack, macht der das, ne. Dann nahm der die
Batterien raus, legt sie hin und sagte: "So, jetzt gehe ich neue
holen" und ging weg. Und da war ich also jetzt abgekapselt, saß
da, ne, und konnte nicht reden, konnte nichts hören, und der Fuji war
am Telefon: "A so, ja, a gefälltinnenguut, ja, doch, ja",
und es ging auch. Also, das hatte alles so eine Eigendynamik, die sehr,
sehr seltsam war. Also für Kenner war das schon eine Dimension, die
sehr gut ist. Und ich würde ja so wahnsinnig gerne empfehlen, dass
die Öffentlich-Rechtlichen so was machen. Das ist nicht teuer, das
ist aber komisch. Was machen die denn sonst? Sie machen auch irgendetwas,
was die anderen auch machen. Und so könnte man Identitäten
finden. [...]
Und dann hatte ich diesen wunderbaren klassischen Gitarristen. Das war
ein vielfacher Preisträger, der war aber noch nie im Fernsehen. Und
der dachte die ganze Zeit, es geht jetzt um ihn. Der war also..., ständig
hat der sich mit irgendwelchen Aufnahmeleitern da geprügelt, weil die
wollten, dass er oben [auf dem Dach] spielt, und er hatte Angst, dass ein
Regentropfen auf seine Gitarre fällt und den Lack aufweicht, und dann
meinte er, dieses Stück könne man nicht spielen, weil das würde
einen anderen Ausdruck bedeuten, und so weiter. Das war auch sehr komisch.
Toll, ein toller Typ. Dann tauchte plötzlich unter meinem Tisch ein
Fotograf auf, der überhaupt nicht zu uns gehörte, der war plötzlich
da. Und ständig gingen Leute ein und aus, ich wundere mich, dass plötzlich
nicht irgendwelche Würstchenverkäufer kamen, im Morgengrauen.
Das war so seltsam. Kein Mensch kam auf die Idee, dass hier eine Sendung
ist, das war so selbstverständlich alles.
MM: Jetzt bin ich ein bisschen abgekommen.
Feuerstein: Ja. Ich auch.
MM: Das ist nicht so schlimm, ja.
Feuerstein: Nee, ist es auch nicht.
MM: Wir machen jetzt mal die letzte Frage und....
Feuerstein: Dann machen wir noch weitere Fragen...
MM: Ja, aber ohne..., passt dann nicht mehr zum Eigentlichen,
dann.
Feuerstein: Ja, verstehe.
MM: Sie arbeiteten mehr als 20 Jahre bei MAD, habe Radio- und
TV-Sendungen moderiert, sind im Internet mit einer eigenen Homepage
vertreten...
Feuerstein: Das klingt so, als kommt jetzt: "Und warum leben
Sie immer noch?", oder so was.
MM: ...ja. Und spielen nun auch noch Theater.
Feuerstein: Richtig.
MM: Eigentlich haben Sie ja alle Medien durch...
Feuerstein: Gar nicht.
MM: Ja - eigentlich.
Feuerstein: Ich hab' noch nicht Ballett getanzt.
MM: Auf was können wir uns als nächstes freuen? Wollen
Sie Johannes Heesters nacheifern?
Feuerstein: Nein, der Jopi macht das toll. Das Wunderbare an Jopi
Heesters ist ja, dass er jetzt, glaube ich, 90 ist, über 90 ist, und
aber inzwischen so wenig sieht und hört, dass er nicht mitgekriegt
hat, dass er aufhören sollte. Er ist schon sehr, sehr präsent
und hat einen hellwachen Verstand. Er hat wahnsinnige Probleme mit den
Augen und muss da also Lupen nehmen und muss irgendwie so Buchstabe für
Buchstabe seine Rollen lernen und hat deswegen auch das Fax, wo drin
stand, dass die Theatertournee zu Ende ist, das war vor 14 Jahren, hat er
immer noch nicht fertig gelesen.
Aber so
weit will ich's nicht..., neinein, ich will vorher..., ich bin ja nicht
ganz so alt. [...]
Nein, ich bin unbefangen und neugierig, ich bin eher ein negativer,
depressiver Mensch, nur, ich bin weder an einer Karriere interessiert, an
der zu basteln, das brauch' ich alles nicht. Also, ich kann mir leisten,
zu machen was ich will, zum Glück schon sehr lange, und das wird auch
nicht aufhören. Und ich werde wahrscheinlich demnächst Mike
Tyson herausfordern. Oder irgendwelche anderen Sachen machen, die noch
ungetestet sind. Aber wenn man mich lässt, ist man vor nichts
sicher...